Mittwoch, 12. September 2012
Mein soziales Umfeld hat versagt
Nichts besonderes werden Sie denken, bin ich doch bekannt für meinen gesunden und üppigen Haarwuchs.
Das Erschreckende war die Körperstelle an der ich das Haar entdecken musste. Es war am oberen Rand meiner rechten Ohrmuschel!
Dort wuchs es wahrscheinlich in aller Ruhe zu einer stattlichen Länge von ca. 4cm und war dank seiner weißen Färbung für alle Menschen gut sichtbar.
Genau das macht mich rasend, da ist also über Wochen ein Haar am Ohr gewesen und NIEMAND hat mich darauf hingewiesen. Ich frage mich warum, habe ich nicht immer durch geradezu überdeutlich bewiesen das meine Lebensmaxime die Ehrlichkeit und Offenheit ist? Diese meine Kolumne ist doch ein klarer Beweis dafür.
Das Haar ist jetzt tief im Papierkorb des Hotelbades, mein soziales Umfeld ist jetzt tief in meiner Hochachtung gefallen. Ich weiß nicht wie ich wieder meinen sogenannten "Freunden" nähern kann, muss ich doch davon ausgehen das sich nicht wenige von ihnen an mir sozial vergangen haben, indem sie das Haar unausgesprochen weiter wachsen haben lassen.
Raus mit der Sprache, gibt es da noch mehr Haare an Stellen die mir nicht einsichtig sind?
Freitag, 10. Februar 2012
Schmäh und Schnauze
Welche Art von Urlaub bevorzugen Sie? Möchten Sie am Urlaubsort überfreundlich und dem Anschein nach zuvorkommend behandelt werden?
Wenn ja dann meiden Sie bitte Wien und Berlin.
Sollten Sie allerdings so wie ich ehrliche Menschen und echte Gefühle bevorzugen, dann sind Sie an Wien und Spree richtig angekommen.
Dienstleistungsberufe sind schwere Berufe, der dauernde Kontakt mit Menschen aus unterschiedlichsten Schichten und weit auseinanderklaffenden Stimmungslagen führt nicht selten zum Rückzug in das eigene Schneckenhaus.
Natürlich sind Wien und Berlin nicht abonniert auf Menschen deren Ausdruckshorizont tief im Schneckenhaus zu suchen wäre, aber eben dort lassen sich ohne große Mühe sehr viele dieser zu Unrecht gemiedenen Spezies finden.
Wenn Sie beim Taxi fahren in Berlin an einen echten Preußen geraten können Sie ihn erleben, den lauernden Intellekt der stets bereit ist eine dahingesagt Floskel oder eine Mutmaßung in der Luft zu zerreißen. Der Volksmund nennt diesen Mechanismus „Berliner Schnauze“ Ich find es großartig wie diese Menschen immer und jederzeit ihren Gefühlen freien Auslauf gestatten. Ich denke Magengeschwüre verursacht durch Verkapselung von verschluckter Wut gibt es in Berlin deutlich weniger.
Im schönen Wien, wo ich immer leise das Spiel einer Zitter höre, ist der „Schmäh“ zu Hause. Es gibt viele Herleitungen und Deutungen, mir gefällt besonders der Wesenszug der Granteligkeit, also der Menschenfeindlichkeit. Um sich zu „umgranteln“ empfehle ich Ihnen den Besuch eines möglichst alten Kaffeehauses zB. das Bräunerhof oder das Central (es gibt übrigens über 1000 Kaffeehäuser in Wien). Angekommen im Kaffeehaus kann es passieren, dass Sie zunächst überhaupt nicht beachtet werden, dies gehört bereits zum besonderen Service der Belegschaft. Nehmen Sie sich einfach eine Zeitung oder ein Magazin und beginnen zu lesen. Wenn Sie dann beachtet werden, seinen Sie bitte kurz, präzise und verbindlich bei der Aufgabe Ihrer Wünsche. Haben Sie diese Hürde genommen können Sie sich an Ihrem Braunen, Biedermeier, Einspänner, Fiaker oder Schalerl erfreuen und stundenlang Ihre Ruhe haben. Ein Wiener Kaffeehaus ist genau das Gegenteil einer „ToGo“ Gastronomie.
Sie haben wie immer die Wahl, lassen Sie sich mit amerikanisierten Verkaufsfloskeln hirnwaschen oder bleiben Sie Mensch und erlauben es eben auch dem Servicepersonal Mensch zu bleiben.